Gemeinnützigkeit im Journalismus

Der Journalismus ist noch nicht als explizit gemeinnützig eingestuft. Hier erfährst du woran das liegt und wie du trotzdem gemeinnützige Medienprojekte im korrekten rechtlichen Rahmen gründen kannst.

Die Einstufung als gemeinnützige Organisation bringt einige rechtliche und finanzielle Vorteile mit sich. Gerade lokaler und investigativer Journalismus lässt sich oft nicht profitabel durch kommerzielle Geschäftsmodelle finanzieren. Außerdem ist gemeinnütziger Journalismus unabhängiger von Werbeeinnahmen. Deswegen überlegen immer mehr, gerade junge Medienunternehmen sich auch gemeinnützig aufzustellen. Darüber hinaus kämpfen verschiedene Akteur*innen aus der Medienlandschaft seit vielen Jahren für die generelle Anerkennung des Journalismus als gemeinnützig.

Laut § 52 der Abgabenordnung (AO) gilt eine Organisation als gemeinnützig, wenn „ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern“. Leider ist der Journalismus noch immer nicht explizit als gemeinnützig anerkannt. Stattdessen müssen Medienprojekte sich auf andere Förderzwecke berufen, etwa Volksbildung (z. B. karla), Demokratieförderung (z. B. Relevanzreporter Nürnberg) oder Verbraucherschutz (z. B. netzpolitik.org).


Die aktuelle Lage 🔎

Die Ampelregierung hatte sich im Koalitionsvertrag 2021 vorgenommen, hier endlich Klarheit zu schaffen. Im Juli 2024 hat das Bundeskabinett das Steuerfortentwicklungsgesetz verabschiedet. Darin ist vorgesehen, dass das Finanzamt gemeinnützige Medienprojekte einheitlicher bewertet und steuerliche Erleichterungen ermöglicht. Das klingt nach Fortschritt – aber Verbände wie der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) fordern eine gesetzliche Regelung, um wirklich langfristige Sicherheit zu gewährleisten.

Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung verspricht "mit Blick auf die Gemeinnützigkeit [des Journalismus] Rechtssicherheit." Was das genau heißt, bleibt jetzt (Stand Juni 2025) noch unklar.

Bis jetzt bleibt unklar, welche journalistischen Tätigkeiten wirklich als gemeinnützig anerkannt werden. Investigative Projekte? Lokale Nachrichten? Ein Aufsehen erregender Fall zeigt die Unsicherheit: Der Blog „Volksverpetzer“, der sich gegen Fake News engagiert, verlor im April 2024 seine Gemeinnützigkeit. Das zeigt: Es braucht dringend eine klare und faire Regelung für Medien, die im öffentlichen Interesse arbeiten.


Kampf um Anerkennung 🏅

Seit Jahren setzen sich Organisationen wie CORRECTIV und Netzwerk Recherche für eine gesetzliche Anerkennung gemeinnützigen Journalismus’ ein. Unterstützende Organisationen haben sich im Forum Gemeinnütziger Journalismus zusammengeschlossen. Sie argumentieren, dass ein unabhängiger, nicht-kommerzieller Journalismus eine tragende Säule der Demokratie ist und genauso gefördert werden sollte wie Bildung oder Kunst.

Das Forum Gemeinnütziger Journalismus, dem unter anderem CORRECTIV, Investigate Europe und netzpolitik.org angehören, macht mit politischen Gesprächen und Veranstaltungen darauf aufmerksam, dass die aktuelle Gesetzeslage zu Unsicherheiten für viele journalistische Projekte führt. Ein zentrales Anliegen ist es, eine rechtlich abgesicherte Grundlage zu schaffen, sodass Medien, die sich der Aufklärung und Demokratie stärken, nicht auf Umwege über andere gemeinnützige Zwecke angewiesen sind.


Welche Rechtsformen sind möglich? 📜

Für gemeinnützigen Journalismus gibt es mehrere Optionen:

  • Eingetragene Vereine (e. V.): Häufig für mediale Initiativen genutzt

  • Stiftungen: Langfristige Fördermöglichkeiten, aber deutlich aufwändiger

  • GmbH oder UG: Kapitalgesellschaften, die gemeinnützig sein können

Wer eine GmbH gründen will, braucht 25.000 Euro Startkapital. Eine UG (die „kleine Schwester“) kann theoretisch schon mit einem Euro gegründet werden. Beide haften nur mit dem Gesellschaftsvermögen – ein wichtiger Unterschied zur GbR, bei der Privatpersonen haften.

Falls du eine gemeinnützige GmbH oder UG gründen möchtest, sind diese Schritte nötig:

✅ Gesellschaftsvertrag aufsetzen ✅ Kontakt mit zuständigem Finanzamt aufnehmen ✅ Notarielle Beurkundung ✅ Eintragung ins Handelsregister


Wann lohnt sich die Gemeinnützigkeit? 🤔

Grundsätzlich erwägen viele Neugründungen im Journalismus eine Gemeinnützigkeit, um sich für Stiftungsgelder bewerben zu können. Damit wollen sie ihre Einnahmequellen diversifizieren. Eigentlich eine gute Idee, allerdings ergibt das nur dann Sinn, wenn beispielsweise Bildung – etwa durch Medienkompetenz-Angebote an Schulen – ein zentraler Bestandteil der Initiative ist.

Man sollte sich jedoch bewusst sein: Da Journalismus nach wie vor nicht explizit als gemeinnützig anerkannt ist, bewegt man sich in einem rechtlichen Graubereich. Können journalistische Erzeugnisse (Artikel, Reels etc.) als Volksbildung gelten? Das liegt aktuell im Ermessen der Finanzämter und kann je nach Bundesland oder Sachbearbeiter sehr unterschiedlich ausgelegt werden. Zudem kann einer Organisation die Gemeinnützigkeit entzogen werden, wenn sie die gesetzlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt.

Zudem gibt es aktuell einige Diskussionen darüber, dass Stiftungsgelder schwerer zugänglich sind. Zahlreiche Stiftungen geben Kapital in den 2024 gegründeten Media Forward Fund (MFF), wodurch es eine Zentralisierung von Fördermitteln gibt. Ob darüber hinaus weiterhin ausreichend Gelder für Medienprojekte verfügbar sind, ist völlig unklar. Die Möglichkeit, über eine gemeinnützige Körperschaft an Stiftungsmittel zu gelangen, besteht theoretisch, aber in der Praxis profitieren nur wenige Medienprojekte davon.


Hybrides Modell als Lösung? ⚖️

Viele Medienorganisationen setzen deshalb auf eine hybride Struktur, um nachhaltige Finanzierungsmodelle zu schaffen. Dabei kombinieren sie einen wirtschaftlichen Arm – etwa durch einen Verlag, ein Café oder andere kommerzielle Angebote – mit einer gemeinnützigen Organisation, die Bildungs- oder Rechercheprojekte umsetzt.

Ein Beispiel hierfür ist CORRECTIV, das als gemeinnützige GmbH investigative Recherchen betreibt, während wirtschaftliche Aktivitäten über eine separate Struktur abgewickelt werden. Auch RUMS in Münster nutzt dieses Modell auf lokaler Ebene, indem es gemeinnützige Bildungsarbeit mit einem wirtschaftlich getragenen Lokaljournalismus kombiniert.

Wer ein hybrides Modell verfolgt, sollte genau abwägen, welche Tätigkeiten dem gemeinnützigen Bereich zugeordnet werden und welche wirtschaftlich betrieben werden können, um langfristig finanzielle Stabilität zu gewährleisten. Zudem sollte man sich bewusst sein, dass zwei Körperschaften (For-Profit und Non-Profit) mit zusätzlichem bürokratischen Aufwand verbunden sind – unter anderem zwei separate Umsatzsteuervoranmeldungen, Steuererklärungen und Jahresbilanzen.

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