Community-zentrierte Wahlberichterstattung
Woran richtest du deine Wahlberichterstattung aus? Sprichst du über die Inhalte der Parteiprogramme oder über die Positionen der Kandidierenden? Hast du dich schon einmal gefragt, ob diese Themen wirklich das widerspiegeln, was die Menschen in deiner Stadt bewegt?
Mit Community-zentrierter Wahlberichterstattung kannst du den Ansatz umdrehen: Hier beginnst du nämlich nicht mit den politischen Akteur*innen, sondern mit den Fragen, Sorgen und Ideen der Bürger*innen. Statt Wahlkampfbotschaften zu wiederholen, machst du sichtbar, was für die Bürgerinnen und Bürger zählt – von fehlenden Radwegen bis zu sozialer Ungleichheit.
Im Rahmen des Projekts „Deine Stimme, deine Themen“ hat der CORRECTIV.StartHub gemeinsam mit sechs unabhängigen Lokalredaktionen das Konzept der Community-zentrierten Wahlberichterstattung erprobt – zunächst zur Bundestagswahl 2025, anschließend zur Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen. Nach dem Vorbild der Citizen’s Agenda aus den USA zeigt das Projekt, wie der Perspektivwechsel gelingen kann. Langfristig möchte „Deine Stimme, deine Themen" immer mehr Redaktionen dazu inspirieren, eine vielfältigere und inklusivere Wahlberichterstattung umzusetzen – eine, die nicht nur über Menschen spricht, sondern mit ihnen.
„Durch ‚Deine Stimme, deine Themen‘ hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, wirklich zu wissen, was die Wählerinnen und Wähler wollen. Als ich diese 400 Fragen von unseren Leserinnen und Lesern gesehen habe, hatte ich ein Gefühl dafür, was die Menschen wirklich umtreibt. Das hat bei mir etwas verändert – aber auch bei den Politikerinnen und Politikern, die sich viel Zeit für die Antworten genommen haben.“
Christian Herrendorf – Mitgründer von VierNull
Aus den vielfältigen Erfahrungen der Redaktionen ist ein Leitfaden entstanden, der dir als Orientierung für die Umsetzung deiner eigenen Community-zentrierten Wahlberichterstattung dienen kann.
Hier bekommst du einen Überblick, wie Community-zentrierte Wahlberichterstattung funktioniert:
6+ Monate vor der Wahl – Commitment sichern
Suche frühzeitig Personen in deiner Redaktion, die das Projekt aktiv unterstützen und vorantreiben. Sorge dafür, dass die notwendigen Ressourcen – personell, zeitlich und technisch – zur Verfügung stehen.
4+ Monate vor der Wahl – Projektplanung
Überlege, warum du das Projekt umsetzen möchtest, halte das Ergebnis in einem Mission Statement fest und entwickle Indikatoren, mit denen du später deinen Erfolg messen kannst. Lege fest, wen du mit dem Projekt erreichen willst – deine Leser*innen oder neue Zielgruppen? Erstelle eine Strategie, wie du deine Zielgruppe ansprechen möchtest, wie du die Beteiligung gestaltest und wie du den Austausch mit den Teilnehmenden nach der Beteiligung fortführen kannst.
3–4 Monate vor der Wahl – Beteiligung starten
Sammle Themen und Fragen, die deine Zielgruppe im Zusammenhang mit der Wahl bewegen: Welche Anliegen haben sie, welche Fragen stellen sie an die Kandidierenden, und was sollte die Politik aus ihrer Sicht endlich anpacken? Das gelingt durch Online-Umfragen oder im persönlichen Austausch – auf der Straße, an Haustüren, bei lokalen Veranstaltungen oder über Partnerorganisationen. Wichtig ist, dass du deine Zielgruppe dort ansprichst, wo sie sich tatsächlich aufhält.
2–3 Monate vor der Wahl – Wahlagenda erstellen
Sortiere, bündle und analysiere die Antworten. Welche Themen tauchen besonders häufig auf? Fasse sie in einer Wahlagenda zusammen – einer Liste mit den wichtigsten Themen deiner Zielgruppe und bis zu drei konkreten Fragen pro Thema. Diese Agenda bildet den roten Faden für deine Berichterstattung.
Vergiss außerdem nicht, dich bei den Teilnehmenden zu bedanken. Teile die Wahlagenda mit ihnen und/oder lade sie zu anstehenden Veranstaltungen in ihrem Stadtteil ein.
1-2 Monate vor der Wahl – Wahlagenda nutzen
Jetzt geht es ans Eingemachte: Erstelle neue Formate auf Basis der Wahlagenda. Recherchiere nach Antworten in den Wahlprogrammen der Parteien, konfrontiere die Kandidierenden direkt mit den Fragen der Bürger*innen, schreibe Hintergrundstücke zu den wichtigsten Themen oder organisiere Veranstaltungen, bei denen die Fragen diskutiert werden – deiner Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt.
Wichtig: Immer wenn du dich auf die Wahlagenda beziehst, erkläre offen, wie die Agenda entstanden ist, von wem die Fragen stammen und warum du dieses Projekt umsetzt. Das verleiht dir Legitimität, schafft Transparenz und stärkt das Vertrauen in deine Arbeit.
Wahltag – Live begleiten
Nutze die Wahl selbst, um noch einmal die Themen eurer Community hervorzuheben. Berichte live, erkläre Abläufe, ordne die Ergebnisse – immer mit Bezug zu den Fragen, die dir die Menschen gestellt haben.
0–2 Monate nach der Wahl – Erfolg messen
Nun geht es darum, zu reflektieren: Was hat gut funktioniert, was nicht? Miss deinen Erfolg anhand der Indikatoren, die du zu Beginn festgelegt hast. Hat sich deine Reichweite erhöht? Hat sich die Beteiligung gesteigert? Konntest du neue Zielgruppen erreichen? Teile deine Erkenntnisse, damit auch andere Redaktionen und Projekte davon lernen können.
Danach – Verstetigen & Lernen
Nach der Wahl ist vor der Wahl: Community-Journalismus ist kein einmaliges Projekt, sondern ein fortlaufender Lernprozess. Bei „Deine Stimme, deine Themen" geht es darum, community-zentrierte Methoden projektbezogen zu erproben, die eigenen Fähigkeiten im Zuhören und in der Beteiligung auszubauen und erfolgreiche Methoden anschließend in deine tägliche Arbeit zu integrieren. Den Ansatz von „Deine Stimme, deine Themen" kannst du in jedem beliebigen Kontext anwenden – etwa bei einem Bürgerentscheid, um generelle Themenschwerpunkte zu setzen oder konkrete Fragen zu einem bestimmten Thema zu sammeln.
Du hast Lust bekommen, Community-zentrierte Wahlberichterstattung bei dir vor Ort umzusetzen? Das „Deine Stimme, deine Themen“-Playbook führt dich Schritt für Schritt durch den Prozess der Community-zentrierten Wahlberichterstattung – mit praktischen Vorlagen und Beispielen, die dir Inspiration geben und dich bei der eigenen Umsetzung unterstützen.
Neben dem Playbook bietet der CORRECTIV.StartHub außerdem Workshops an, in denen du die Grundlagen des Community-Journalismus erlernen kannst. Mit beabee und dem CrowdNewsroom steht dir zudem die passende Software-Infrastruktur zur Verfügung.
Wenn du mehr erfahren möchtest, melde dich hier.
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